Steckbrief – Haselmaus (Muscardinus avellanarius)

Falsche Maus und Langschläfer

Bei der Haselmaus handelt es sich nicht um eine Maus, sondern um einen Bilch (bzw. Schläfer oder Schlafmaus). Neben dem Winterschlaf unterscheidet sie sich von echten Mäusen durch einen buschigen Schwanz und eine hauptsächlich kletternde Lebensweise. Wer Haselmäuse finden will, sollte also nicht Käse am Boden verteilen, sondern einen Blick ins Wald- und Heckendickicht werfen. Dort bauen sie sich hübsche Nester aus kunstvoll verwebten Blättern und Gräsern.
Wie ihre Verwandten (Siebenschläfer oder Gartenschläfer, zum Beispiel) verschläft die Haselmaus mehr als die Hälfte des Jahres (Oktober bis April) und auch unter Tags schläft sie viel; sie ist nachtaktiv. Haselmäuse sind schwer zu entdecken und nicht leicht zu erforschen: sie sind nur etwa mäusegroß, ihre Nester sind hoch in den Sträuchern verborgen, ihre Lebensräume mosaikartig über Wälder verteilt und auf einem Hektar leben nur vier bis fünf Tiere. Den Winter verbringen die Haselmäuse von Oktober bis April in Winternestern am Boden zwischen Wurzeln. In Brehms Tierleben wird der Bezug des Winterquartiers und der Winterschlaf folgender Maßen beschrieben: „Um die Mitte des Oktober ziehen sie sich in den Schlupfwinkel zurück, wo sie den Wintervorrat eingesammelt, und bereiten sich aus Reisern, Laub, Nadeln, Moos und Gras eine kugelige Hülle, in die sie sich gänzlich einwickeln, rollen sich zum Knäuel zusammen und fallen in Schlaf, tiefer noch als ihre Verwandten; denn man kann sie in die Hand nehmen und in derselben herumkugeln, ohne daß sie irgendein Zeichen des Lebens von sich geben.“ Im Gegensatz zu den meisten Pflanzenfressern, hat die Haselmaus keinen Blinddarm und kann dadurch nur schwer Zellulose verdauen. Die leicht erreichbaren Nahrungsquellen wie Blätter, Bast und Wurzeln kann sie deshalb ausschließlich in kleinen Mengen verzehren. Um über die Runden zu kommen, ist sie daher auf einen artenreichen Lebensraum angewiesen, der ihr von April bis Oktober Nahrung bieten kann: Blüten und Knospen im Frühling, Früchte und Insekten im Sommer, Nüsse im Herbst, die namensgebenden Haselnüsse braucht sie aber nicht unbedingt. Da sie sich im Geäst kletternd fortbewegt, sind vernetzte Strauch- und Waldgebiete enorm wichtig. Überall, wo in der Landschaft Sträucher und Gehölze großflächig entfernt werden, hat sie das Nachsehen. Haselmäuse kommen nicht in großen Dichten vor. Die wenigen Individuen einer Hecke können durch einen ausgeräumten Agrarstreifen oder eine breite Straße leicht getrennt werden und Populationen innerhalb kürzester Zeit aussterben.
Die Haselmaus ein Städter?
Anekdoten zufolge war es früher sogar üblich, Haselmäuse auf Zweigerln zwischen den alten Wiener Doppelglasfenstern klettern zu lassen. Bei Jane Austen kann man nachlesen, es soll guten Einfluss auf die Ausbildung der häuslichen Fähigkeiten junger Damen gehabt haben, ein Haselmäuschen großzuziehen. All diese Geschichten lassen darauf schließen, dass Haselmäuse früher deutlich häufiger in oder nahe bei Siedlungen anzutreffen waren. Auch in Brehms Tierleben wird die Haushaltung der Haselmaus beschrieben: „Hält dieser sie einmal in der Hand, so hat er sie auch schon so gut als gezähmt. Niemals wagt sie, sich gegen ihren Bewältiger zur Wehr zu setzen“ und weiter „Ihre überaus große Reinlichkeit und die Liebenswürdigkeit und Verträglichkeit, die sie gegen ihresgleichen zeigt, die hübschen Bewegungen und lustigen Gebärden machen sie zum wahren Liebling des Menschen.“
Vielleicht ist die wenigen Sichtungen in siedlungsnähe vielleicht auch nur darauf zurückzuführen, dass wir verlernt haben, ihre Spuren zu erkennen. Denn, beispielsweise, ein naturnaher, wilder Park in der Stadt kann der Haselmaus sicherlich mehr bieten als eine strukturarme Monokultur am Land. Ein klassischer Städter wird die Haselmaus aber wohl nie werden. Dafür sind die Grünflächen zu inselartig verteilt und die Ausbreitungsbarrieren zu groß.
Haselmäuse sind EU-weit geschützt und in ihren nördlichen Verbreitungsgebieten gefährdet. Für Österreich fehlen aktuelle Daten und Untersuchungen. Über die Internetplattform „kleinsaeuger.at“ kann man Haselmaussichtungen eintragen und somit einen Beitrag zum Haselmausmonitoring beitragen.
Literaturquelle:
– BREHM, A. (1927): Brehms Tierleben – Kriechtiere. Band 6: Insektenfresser und Nagetiere; Gutenberg-Verlag, Kapitel 3.
– ROTTER, B.: Population ecology and habitat use of the edible dormouse (Glis glis) under harsh environmental conditions. Diplomarbeit Universität Wien, 50 S.
– biorama.eu, Zugriff März 2017.
– kleinsaeuger.at, Zugriff März 2017.

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